Pauls alte Blicke

Paul Bressel dichtete auf dieser Seite: er schob also die Worte, die er zusammengestellt, ineinander, bis sie aufplatzten und ihren köstlichen Inhalt ausschütteten. Trink davon als einem süßen Nektar, der Dich reinigt und fast zu sehr erfüllt.

Auftritt

(17.11.05)

Mit großen Schwüngen seiner Hände
beschreibt ein kleiner Mann die Welt
mit rauen Händen streicht er diese
kann nicht begreifen wo sie fehlt
weshalb die Flüsse blutgefüllt sind
welche Wolke ist noch rein

Auf dem Absatz dreht der Kleine
wendet seine Augen ab

Klippengeschwätz

(14.11.05)

Wer will dieser Tage
an meinen Rand treten
und leise hinab
das Tal erfahren
dessen Wände ich bilde
hinab bis zum Meer
dessen Schätze ich berge
dessen Menschen ich kose
hinab bis ans Meer

Wer will dieser Tage
an meinem Hang scheitern
und niemals ereichen
die rettenden Wiesen
am Ende der Felsen
hinab bis zum Meer
am Rande der Dörfer
am Beginn einer Weite
hinab bis zum Meer

Wen wird dieser Tage
das Meer verschlingen
und tragen
um mich zu verpotten
deren Schrecken so klein sind
unten am Meer
deren Kanten geschliffen
deren Schatten verdorrt sind
unten am Meer

Weisheit

(8.10.05)

Weisheit wie die Väter sprachen
deren Lippen lang die Zeit versiegelt
deren Herzen lang die Erde kühlt

Weisheit wie die Mütter sangen
deren Blicke längst erloschen
deren Hände hart geworden sind

Weisheit wie ein Gott sie schenkte
wie sie tausend Teufel mieden
wie sie selten ist in dieser Zeit

Die neue Schöpfung

(12.9.05)

Es ist Sonntag und
es tanzen die Hexen
auf den Gräbern der Ruhe
des Scheins

Vorbei und verboten
ist alles Vertraute
die alte Ordnung
verflucht

Bald wird
eine neue Ordnung
uns segnen

Bald wird
eine neue Ordnung
zerstört

Sünde

(24.8.05)

Seinen Hieben vertrauend
schlägt ein Teufel
mit sieben hassenden Brüdern
mit tausend scharfen Beilen
von der Krone beginnend
den herrlichsten aller Bäume entzwei

Traum

(5.8.05)

War von zwei Menschen gesegnet
Meinem Vater und meiner Tochter geliebt

Begegnungsmosaik

(2.8.05)

In atemloser Stille befreit
Von seinen flatternden Schatten behütet
Bin ich
An den Gipfel eines Berges gekrochen
Um dort Engeln an Seite
Ein Licht zu ersehen
Von Ferne es leuchten zu wagen
In eine Nähe verfallen
Deren Ränder von seinen Schatten geöffnet
Entlang meiner Liebe
In atemloser Stille befreit

Am Rande der Weide

(1.8.05)

Pferdediebe unterhalten sich leise
treiben die Fohlen die kleinen nach Haus
schlachten noch mächtige Rosse
schonen den einen schlafenden Hüter allein

Verwandschaft

(30.7.05)

Mit einem lachenden Kind
auf der Straße verbunden

Trage ich in mir die Trauer
einer Mutter vom Rhein

Spüre die Angst
eines Fremden
in meinem Hause

Habe nach Tagen noch
den Geruch einer Liebe im Raum

Weiß von der Einheit
kann nach Alleinsein nicht streben
bin verbrüdert verschwestert
mit allen - mit uns

Hitzenacht

(29.7.05)

Ein Tier in Bewegung
Am Abgrund entlang
Mit begleitendem Schatten
Von Dämonen geritten
Erwartet es jene
Die Kühlung versagt
und Ruhe nicht bringt

Nomadentum

(20.7.05)

Schleiche davon in der Nacht
Bei Tageslicht sind wir von Wüsten getrennt
Die ich im Morgengrauen übertreten habe
Deren geheime Wege ich kenne
Wie die eines Moores
Damit ich hindurch im Mondschein
zu Dir kommen kann

Abstieg

(17.7.05)

Schwankend wie ein Betrunkener
renne ich den Abhang hinunter
vertraue für einem Augenblick
dieser Wurzel jenem Stein

Bald wird der Weg münden
eine Straße begründet
ein Dorf passiert
eine Stadt ein Land verlassen

Fliehe ich weiter
dem Meer zu
stürze in den Schaum und
greife tauchend nach Felsen
ziehe den Körper
dem Grund zu

Werde ich dort verharren
dort Ruhe finden
dem Gipfel entrissen
dem Wasser geschenkt

In den Augen eines Propheten

(15.7.05)

Ein Sturm kommt auf
Ich habe Gesichte
Von einem Donner
Der alles zerschlägt

Von einer Liebe
Die unterdessen
Meine Träume tröstet
meine Lippen befreit

Inkehr

(1.7.05)

Wenn mein Atem
über meine Lunge streift
wenn Stille mich umfängt
selbst der Himmel gedämpft nur
meine Augen berührt

Schmerzen lassen ab
Gedanken kehren um
ein Lied kommt mir in den
und geht mir aus dem Sinn

Dort bin ich
nimm mich hinein

Hirte

(27.6.05)

Von meinen Lippen
lies meine Liebe
in meine Hände
lege dein Herz

In meinen Zügen
höre die Güte - flüstern
deren Freiheit
du bekennst

Nimm meine Namen
halte sie sorgsam
als einen Schild

Ehrlichkeit eines Dichters

(26.6.05)

Es ist alles süß oder bitter
was du schreibst

Manches beides

Schmeckt dein Leben
wirklich so

Freiheit

(24.6.05)

Wenn die Sphäre zerspringt
jeden Abend
die um den Mann gezirkelt ist
der jetzt die Nacht küsst

Wenn die Scherben fallen
jeden Abend
die er fallen ersehnt

Kommt bald ein morgen
kommt bald ein Tag

Leidenschaft

(12.6.05)

Wenn in einem Feuer
zwei Flammen
schimmernd
umeinander tanzen
sich lautlos berühren
endlos einander
verschlingen gebähren

Dass ein Beobachter endlich
sein Gesicht abkehren muss
um seinen Augen die Dunkelheit
einer kühlen Nacht zu schenken

Während die Flammen weiter
einander nur sind

Entsetzen

(3.6.05)

In einem Park
Im Sonnenschein
Im Mai

Was ist
wenn selbst hier
mich dunkle Mächte greifen
wenn schwer auf meinen Schultern
drückt die Last

Wenn Kinderlachen und
Bachrauschen keine Hilfe sind

Kommt dann
im Licht
ein Morgen

Entzweit sich endlich
was schon längst in Stücken ist

Lobgesang

(29.5.05)

Wen soll ich loben
wenn mein Herz überfließt
vor Dank

Wessen Nähe soll ich preisen
wenn ich mich
auf einem weiten Feld
geborgen fühle

Wer soll meine Liebe empfangen
wenn dieses Glück mich erfüllt und
selbst meinem Feind
ich wohlgesonnen bin

Soll ich mein Herz nicht
selbst dann noch weiten
anstatt es zu härten
im Feuer - im Licht

Verlust

(25.5.05)

Mit einem fremden Stift kratze ich
Worte auf ein fremdes Papier

Fünf starke Männer
nehmen mein Herz
In Zehn starke Fäuste

Selbst zehn schöne Frauen
scheitern mich zu kosen
Mit weichen Händen
auf dieser Haut zu ruhen

Jede meiner Mütter umarmt mich nicht
Meine Väter können mich nicht tragen

nur das fremde Kratzen
dringt an mein Ohr

Lieben

(24.5.05)

Ich bin
von einem vielgesichtigen Monster gerissen
von jeder seiner Zungen verspeist
bin glücklich während es
in meinen Eingeweiden weidet

Ich werde
durch seine Schreie ermuntert
durch jeden seiner Hiebe gekräftigt
werde erstehen während es
in meinen Adern wütet

Ich war
zu einer Heldentat bestimmt
zu jedem seiner Wunden bereit
war geopfert noch ehe
es mich erblickte
ich mich ergab

Schlechter Sturm

(23.5.05)

Brausen ist ein komisches Wort
braust es doch nicht genug
fährt nicht in die Glieder
macht meine Finger nicht klamm
selbst wenn es schneit friere ich nicht
es erfrischt mich nicht unter der Hitze
es befreit mich nicht aus
einem gefährlichen Traum

Morgenschimmern

(21.5.05)

Du bist in der Nacht
dessen Liebe du trägst
deren Lippen du rührst
deren Kraft du verbirgst
dessen Ahnung dich fragt
Wer du bist
in der Nacht

Heldenbruch

(20.5.05)

Einer der steht
Mit Brüdern
Mit Schwestern
Während andere schweigen

Einer der sieht
Mit Schwestern
Mit Brüdern
Kauern die andern

Eine die redet
Die achtet
den Rücken des Bruders
Die hebt
die Augen
ihrer Schwester empor
Und sie schweigt
Und sie kauert
Und die Lider bedeckten
unter redenden Wimpern
nie eine Träne
nie einen Schrei

Jenseits der Nacht

(20.5.05)

Ist es Freiheit
die mich erwartet
wenn ich
durch die Mauer trete
diese Dunkelheit
zwischen zwei Tagen

Ist es Frieden
der mich empfängt
wo die Sonne brennt
auf der anderen Seite
der Schwärze
wo die Sonne glüht

Ist es Hoffnung
die ich verlassen habe
als ich eingetaucht bin
in das geflohene Licht
um in ein morgen
zu schwimmen

Mairegentag

(18.5.05)

Es hängt der Regen wie Parzenfäden
eines zahlreichen Volkes
unter fernen Wolken
die im Nebel verschwinden

Während ich heute als einer
der nie sein Haus verlässt weile
fließen Pfützen zusammen
die ein See ein Meer bilden

Es schlagen bald erste Wellen
an meine Türe wollen hinein
werden mich mitnehmen
in die Ferne wo

Vom Himmel die Sonnenstrahlen
nach dem erfrischenden Regen
wie undurchtrennbare
Parzenfäden
hängen

Waldrand

(17.5.05)

Will mich als ein Tiger
aus dem Verborgenen lösen
in die Wirklichkeit
einer ungeschützten Ebene
heraustreten

Der Wirklichkeit
einer weiten Ebene
entgegentreten wie einer
der den Tiger nicht fürchtet
der dem Adler vertraut

Deckung

(13.5.05)

Längst habe ich meine gefrorenen Fäuste
Meinen geliebten Verstand
Meine scharfe Zunge
Sinken lassen um meine Brust
Jedem Stich darzubieten
Deine Lippen zu empfangen

Freiheit

(12.5.05)

Aus meinem Rudel
breche ich in die Dunkelheit
eines kalten Waldes
reiße alleine

Während mein Rudel erfriert

Klarinette

(8.5.05)

klagend
wie ein tanzendes Mädchen
am Beginn einer dunkelen Nacht

lachend
wie die Weiber
der eintausend Gefallenen
eines lange beendeten Krieges

überqueren die Töne
den Acheron
spielen in den Haaren des Fährmanns
sprechen von einer Erlösung

überwinden die Töne
den Styx

Tiefe Wolken

(6.5.05)

Von einem klaren Himmel
drücken tiefe Wolken herab
nehmen den Sonnenschein
lassen die Hitze
in weiter Dunkelheit zurück

Jagen davon
erlauben Tag und atmen
spielen als Schatten über den Feldern
wissen von nichts

Regnen nicht mal

Beidäugig

(4.5.05)

Der Ferne entrissen
Der Nähe entfernt
Mit Lärm unter den Flügeln
streift ein mächtiger Adler

Über den verwirrenden Straßen
und dem einsamen Menschen

Der bereits jenseits des Hügels
Die Stadt verlassen - sich dem Blick
eines weiten Adler vertraut

Fern steht eine im Traum

(30.4.05)

Dein Alleinsein nicht zu scheitern
Dein Verzweifeln nicht zu schrein
Meine leise Stimme heißt Dich
Nicht zu wissen
Nicht erwacht

Hiob

(25.4.05)

Wo sind Deine starken Schultern Gott
Kämpft das Heer Deiner mächtigen Engel
heute in anderen Herzen

Wer vernichtet heute meine Dämonen
Wer gibt mir Kraft
während Satan lachend
auf meinen Schultern reitet

Wohin erstreckt sich die Wüste
die Du vor mir ausgebreitet hast

Wer durchquert sie allein

Widerstand

(24.4.05)

Von vorne her trete
ich dem Strom entgegen
ihn vor mir zu teilen

Hilflos verstricke
ich mich in meinem
Tatendrang

Und dennoch erstehe
ich jenem Strom
der sich hinter mir teilt

Wegbereit

(21.4.05)

Sichtbar streicht mein Leben
fragt mich leise nach dem Ziel
schreibt von Taten
leicht und wissend
trägt ein Wesen
ungewiss

Kern

(20.4.05)

Im Innern
Am äußersten Rand meines Aufhörens
Geschützt vor Sturm und Lärm
Treiben Kanäle nach außen
Lassen Sturm und Lärm und Dich hinein